Hinter den Fassaden

Ursprünglich wollte ich diesen Blog anonym halten. Ich habe aber eine persönliche Geschichte zu erzählen und was könnte meine Geschichte besser begleiten, als ein Bild meiner selbst?

Die Sache ist die; ich hatte die letzten Monate eine recht harte Zeit und ich bin noch nicht durch damit. Ich lache immer noch und ich habe immer noch Spaß, keine Sorge, aber ich hoffe, dass meine Geschichte euch einen Moment innehalten und nachdenken lässt. Manchmal denken wir einfach, dass die anderen es leichter haben, aber um ehrlich zu sein, lassen wir es uns doch alle nur nicht anmerken. Wir alle haben unser Päckchen zu tragen.

Die letzten zweieinhalb Jahre habe ich sehr hart an mir gearbeitet. Ich habe mich diszipliniert, um gesünder zu werden. Es fällt mir nicht leicht Gewicht zu verlieren und gleichzeitig glaube ich nicht an Radikaldiäten, bei denen man sich nur von Lauch, Luft und Liebe ernähren darf. Also habe ich den langen Weg genommen und habe Stand heute insgesamt 25 Kilo / 55 lbs / 4 st abgenommen – nicht einfach, um besser auszusehen oder mich besser zu fühlen, sondern hauptsächlich, weil ich es meinem Körper nicht leicht gemacht habe, indem er dieses ganze Extra-Gewicht mit sich rumschleppen musste. Seit meine Mama mich als Kind in der Dorf-Leichtathletik angemeldet hat habe ich Sport gemacht und einige Sportarten lieben gelernt. Besonders herausragend war ich in keiner Disziplin, aber ich habe jede liebend gerne gemacht; sechs Jahre (Rettungs-)Schwimmen, fast acht Jahre Fußball, Aerobic, Fahrrad fahren / Spinning, Cross Fit… und als ich mit dem Fußball angefangen hatte fand ich auch meine Leidenschaft: laufen. Es gibt für mich nichts befreienderes, als meine Laufschuhe anzuziehen, Wind, Sonne oder Regen im Gesicht und den Weg unter den Füßen zu spüren. Der Rhythmus, in dem die Schuhe auf dem Weg treffen, passt perfekt zu meiner mühsam kreierten Playlist, mein Atem beschleunigt sich sobald ich zu meinen Sprint-Liedern komme (ich liebe Intervall Training). Wenn ich laufe vergesse ich alles andere und lasse meine Frustrationen, Ärger und Probleme wortwörtlich hinter mir. Es pustet mir Kopf und Herz frei und macht mir eine Freude, die ich so gar nicht beschreiben kann. Bisher konnte mir keine andere Sportart dieses Gefühl geben.

Leider hatte ich auch immer wieder mit Problemen, wie Runner’s knee oder ähnlichem, zu kämpfen, was der Hauptgrund war, warum ich mich endgültig entschied Gewicht zu verlieren. Deshalb kämpfte ich für einen gesünderen Körper. Obwohl ich Sport immer mochte, war ich noch nie schlank, um ehrlich zu sein war ich letztendlich nicht mal mehr mollig, sondern schon leicht fettleibig. Es ist beschämend, das so offen zuzugeben, aber es gibt keine Entschuldigung dafür. Ich liebe einfach gutes Essen und ich verpasste den Moment, an dem ich die Reißleine hätte ziehen müssen, und wurde dick. So einfach und so schmerzhaft wahr. Ich pausierte das Joggen, um meinen Knien und meiner Hüfte Zeit zu geben sich zu erholen, begann ein Essenstagebuch zu schreiben (Foodtracking). Ich las eine Menge über Ernährung, um besser entscheiden zu können, wie eine Ernährung aussehen kann, die zu meinem Stoffwechsel und meinem Lebensstil passt – ich wollte Gewicht verlieren, aber nicht den Spaß.

Ein paar Monate nach meiner Ernährungsumstellung fing ich wieder an Sport zu machen, um meinen Körper an den richtigen Stellen zu stärken: Spinning für meine Knie und ein Kraftsport Kurs für den Torso. Ich wurde fitter, schlanker und stärker. Sechs weitere Monate später fing ich wieder an zu laufen und war so so glücklich darüber. Ich meldete mich für einen 5-Kilometer-Lauf an und arbeitete hart an meiner Geschwindigkeit. Plötzlich fing ich an mich in der Hüftregion unwohl zu fühlen und dachte, dass eine alte Fußball-Verletzung Probleme macht. Ich pausierte, fing wieder an. Immer noch da. Ich pausierte, fing wieder an. Immer noch da, sogar noch schlimmer. Wenn es um Schmerzen geht kann ich einiges aushalten, also wartete ich einfach ab. Eines morgens spürte ich dann plötzlich einen so durchdringenden Schmerz, dass ich jedes mal weinte wenn ich mich hinsetzte oder aufstand. Ich konnte nicht sitzen, ich konnte mich nicht bewegen, ich konnte nur diese Rückenschmerzen empfinden. Ich hatte eine Scheißangst. Was war da los? Ich war gerade mal 27 Jahre alt und achtete so sehr auf mich.

Man brachte mich ins Krankenhaus, aber bekam nur Schmerzmittel. Ich bat um Hilfe bei mehreren Ärzten und bekam nur Krankschreibungen und Schmerzmittel. Ich versuche chemische Medizin möglichst zu vermeiden, wo es geht, aber 3 Mal eine Ibu 600 war schnell meine Tagesroutine. Ich musste darum kämpfen ernst genommen zu werden. Mein junges Alter und mein recht höfliches und vielleicht reserviertes Auftreten gegenüber Ärzten machte es mir schwer sie zu überzeugen, dass ich wirklich große Probleme hatte. Letztendlich wurde ein MRT angeordnet und das Ergebnis war ein ziemlicher Schock für mich.

Bandscheibenprotrusion. Vorwölbung. Knapp am Vorfall vorbei.

Vielleicht kann ich nie mehr joggen.

Das ist ein Problem, dass mich mein Leben lang begleiten wird.

Was zum Teufel passiert mir gerade?!

Ich weinte viel. Ich trauerte. Ein paar Tage nach meiner Diagnose schaute ich mein kleines Häufchen Elend an und riss mich endlich zusammen. Ich bin niemand der so leicht aufgibt. Also nervte ich meine Doktoren und Krankenversicherung, damit ich Physiotherapie bekomme. Es ist verdammt harte Arbeit und Disziplin, aber ich bin jetzt von dem Punkt, an dem ich kaum meinen Alltag durchstand bis dahin gekommen, wo ich jeden Tag 5 Kilometer gehe und fast schon religiös meine Krankengymnastik erledige. Ich habe selten mal keine Schmerzen oder keine Druck auf dem Rücken und an schlechten Tagen ist es besonders schwer aufzustehen und meinen Hintern zu bewegen, anstatt mich mit meinen Medikamenten im Bett zu verkriechen. Aber um ehrlich zu sein nehmen mir die Tabletten auch nur die Symptome, den Schmerz. Der einzige der mir wirklich helfen kann bin ich selbst.

Ich schreibe das hier nicht, um Mitgefühl zu erwecken. In letzter Zeit habe ich viele schiefe Blicke kassiert, weil ich die einzige in der Bibliothek bin, die dort mit einem Stehpult und Laufhosen rumlungert. Leute fragen mich, warum ich „komische“ Sachen mache. Komisch, im Sinne von anders als der Rest. Das hier bin ich, wie ich mich um mich selbst sorge und kümmere. Ich lasse mich dafür nicht von anderen verurteilen. An schlechten Tagen ist es allerdings manchmal schwerer zu ertragen herauszustechen. Deshalb bitte ich euch um euer Wohlwollen statt Vorurteilen für den Fremden, der merkwürdig rumsteht, wenn alle anderen sitzen oder geht, wenn alle anderen fahren. Vielleicht hat er einen Grund.

Wenn ihr selbst etwas ähnliches erlebt oder erlebt habt schreibt mir doch! Ich würde mich freuen von euch zu hören. 😊

XOXO

Sarah

7 Kommentare Gib deinen ab

  1. Maria Müller sagt:

    Ach Schatzi, vllt wird ja doch noch alles gut und du kannst wieder „laufen“

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    1. Dankeschön :) An mir soll es nicht scheitern, aber das wird so oder so noch lange dauern. Ich werde mein bestes geben, dass es wenigstens ab und an im Bereich des Möglichen sein wird, bin aber auch bis zu einem gewissen Grad leider machtlos. <3

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  2. Miriam Paul sagt:

    Toll geschrieben!

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    1. Danke Miriam! Es ist immer schön, wenn jemand die ganze Arbeit zu schätzen weiß :) <3

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  3. Anna sagt:

    Toller Text …. Wir sind weiterhin immer für dich da 💕

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    1. Danke Anna! Das weiß ich und bedeutet mir viel :) <3

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